EGON KUHN GESCHICHTSWERKSTATT IM FREIZEITHEIM LINDEN e.V.


Jonny Peter:

Das Reichsbanner



Auszüge aus der Broschüre "Alfred Jahn und das Reichsbanner" von Jonny Peter, Silvia und Manfred Wolter sowie Susanne Böhmer, die in der Egon Kuhn Geschichtswerkstatt im Freizeitheim Linden e.V. erhältlich ist.

 


 

Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold in Hannover

 


 

Zur Geschichte

Die Geschichte des Reichsbanners beginnt 1922, als ein sozialdemokratischer Ortsverein in Magdeburg beschließt, eine Aufbauorganisation gegen Feinde der Weimarer Republik zu gründen. Diese tritt ein Jahr später erstmals als „Republikanische Notwehr“ öffentlich auf. Am 22.2.1924 wird in Magdeburg dann unter Vorsitz des sächsischen Oberpräsidenten Otto Hörsing, SPD, sowie sechs weiterer Sozialdemokraten, eines Mitglieds der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) sowie eines christlichen Gewerkschafters das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund der republikanischen Kriegsteilnehmer e.V.“ gegründet. Ziel ist der Schutz der Verfassung der Weimarer Republik. Bei gewaltsamen Angriffen auf die republikanische Verfassung will das Reichsbanner die republikanischen Behörden in der Abwehr unterstützen und die Gegner der Republik bekämpfen.

Man beginnt mit dem Aufbau zahlreicher Gaue, so auch in Hannover. [Vgl. Broschüre des Freizeitheim Lister Turm: Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold in Hannover 1924-1933, Hannover 1992]. Darunter folgen als Gliederungen die Kreisverbände, dann Ortsvereine und darunter die Kameradschaften. Die Angaben zur Zahl der Mitglieder in der Weimarer Republik schwanken zwischen einer und drei Millionen. 1931 beschließt das Reichsbanner als Gegenmaßnahme zur SA (Sturmabteilung) die Einrichtung einer militanten Elitegruppe: die Schutzformation, kurz die Schufo. In ihr sind je nach Angaben zwischen 160.000 und 250.000 - meistens jüngere - Mitglieder organisiert. Sie sind nur teilweise und nur leicht bewaffnet, d.h. sie verfügen höchstens über Kleinkaliberwaffen. Als Reaktion auf die Nazis, die zusammen mit Deutsch Nationaler Volkspartei (DNVP) und Stahlhelm die Harzburger Front gebildet haben, gründen am 16.12.1931 SPD, Reichsbanner, Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund und die Arbeitersportbewegung dann ebenfalls einen weiteren Zusammenschluss: die „Eiserne Front“. Ihr Symbol werden drei weiße Pfeile auf rotem Grund. Nach den Reichstagswahlen vom 5.3.1933, die der NSDAP 44% der Stimmen bringen, wird das Reichsbanner bald in den meisten Ländern im Deutschen Reich verboten.

 


 

Das Reichsbanner in Hannover

Alfred Jahn gehört zu den wichtigsten Akteuren der hannoverschen Arbeiterbewegung in der Weimarer Zeit. Im Nationalsozialismus muss der Geschäftsführer des 1933 verbotenen Reichsbanners und Mitglied einer sozialdemokratischen Widerstandsorganisation die meiste Zeit im Zuchthaus und in verschiedenen Konzentrationslagern verbringen.

Alfred Jahn beschreibt die Gründung der Reichsbanner-Ortsgruppe Hannover sehr euphorisch am 1.10.1930 in einer Beilage des „Volkswille“, der hannoverschen SPD-Zeitung. Er hält sie für ein mächtiges Gegengewicht zu den Nationalsozialisten. Das Reichsbanner ist in Hannover in 19 Kameradschaften (in einem anderen Text ist von 18 Kameradschaften die Rede) unterteilt. Zum Beispiel ist die Kameradschaft 8 in Ricklingen. 9 und 10 sind in Linden-Süd, 11, 12 und 13 in Linden-Nord, 14 in Limmer ansässig. Drei bis vier Kameradschaften bilden eine der fünf Abteilungen: So besteht die 3. Abteilung aus den Kameradschaften 8 - 11, die Abteilung 4 aus der 12. - 14. Kameradschaft.

Die Antifa-AG Lister Turm interviewt 1983 einige Zeitzeugen wie Karl Hilke und Wilhelm Jahn: „Jede Kameradschaft hatte ein Jungbanner, in dem die Reichsbanner-Mitglieder bis zum 30. Lebensjahr organisiert waren.“ Karl Hilke, 1928 Jungbannerführer in der Südstadt, beschreibt die Aktivitäten u.a. so: „In den ersten Jahren war neben Versammlungen, Aufmärschen, Vorträgen und politischer Schulung der Sport eine der Hauptbetätigungen. ... Neben dem Sport wurde auch exerziert.“ [Zitate aus Broschüre des Freizeitheim Lister Turm: Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold in Hannover 1924-1933, Hannover 1992.]

Karl Nahme (Jungbanner und Reichsbanner) berichtet: „Als die politischen Wirren zunahmen, übernahm die in Hannover etwa 200 Mitglieder starke Schufo den Schutz von Versammlungen und von Gewerkschaftshaus und Volksheim. Beim Versammlungsschutz wurden jeweils 20 bis 30 Schufo-Kameraden eingeteilt, die sich um die Stühle herumstellten. Oft kam es zu Störungen, wobei kein Unterschied zwischen Kommunisten und Faschisten gesehen wurde. Beide hatten das Ziel, die Demokratie zu stürzen. Durch die Gründung der Eisernen Front wurde erreicht, daß an den Aufmärschen auch Sportler und Gewerkschafter teilnahmen, …“

Wilhelm Jahn, der 1905 geborene Sohn von Alfred Jahn, berichtet, dass es bis 1929 politisch relativ ruhig war. „Die SA wurde zwar stärker, aber es fiel nichts Nennenswertes vor.“ Die Schufo ist dann aber Tag und Nacht unterwegs und bewacht etwa das Gewerkschaftshaus.

Am 30.1.1933 wird Adolf Hitler durch die Ernennung des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zum Reichskanzler. Zusammen mit Hilfe von rechtsnationalistischen Parteien kann Hitlers NSDAP die Regierung bilden.

Es kommt Anfang 1933 noch zu einigen großen Demonstrationen in Hannover. So finden am 3.2.1933 und auch am 19.2.1993 auf dem Klagesmarkt Veranstaltungen der Eisernen Front mit bis zu 45.000 Teilnehmenden statt. Der dortige Redner der Gewerkschaft und SPD, der Reichstagsabgeordnete Richard Partzsch, verweist darauf, dass solange Hitler auf dem Boden der Verfassung bleibe, sei das „eben eine verfassungsmäßige Rechtsregierung“. Deshalb müsse man alles tun, für „den Augenblick des Verfassungsbruchs gerüstet zu sein.“ Viele SPD- und Gewerkschaftsmitglieder sind politisch ratlos, was gegen die Nazis zu machen sei. [Zitate aus Broschüre des Freizeitheim Lister Turm: Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold in Hannover 1924-1933, Hannover 1992].

 


 

SA-Überfall auf das Reichsbanner am Lister Turm am 21.2.1933

 



Bericht im Volkswille über den Nazi-Überfall auf das Reichsbanner am Lister Turm, Volkswille vom 23.2.1933 (Stadtteilarchiv im Freizeitheim Linden)

 

Am 21.2.1933 stört die SA erst eine Wahlkampfveranstaltung der SPD in Bothfeld, dann ziehen die 100 Nazis weiter zum Lister Turm, wo ebenfalls eine Veranstaltung der SPD stattfindet. Sie ziehen sich versteckt in die Eilenriede zurück. Als dann die ca. 50 Schufo-Leute ankommen, um die Veranstaltung zu schützen, kommt es sofort zu einer von den Nazis angezettelten Schlägerei und auch „wüsten Schießerei“. Die Nationalsozialisten eröffnen mit dem Kommando „Freiheit“, also dem Gruß des Reichsbanners, das Feuer auf die Sozialdemokraten. Sie geben 150 Schüsse ab. Von den Reichsbanner- und Schufo-Leuten werden 19 getroffen. Wilhelm Heese stirbt an einem Brustschuss, Willi Großkopf an den Folgen eines Bauchschusses am 22.2.1933. Zu den zahlreichen Verletzten gehört auch der durch einen Prellschuss getroffene Alfred Jahn.

Zur Beerdigung von Heese und Großkopf am 25.2.1933 kann noch einmal die Arbeiterbewegung mobilisiert werden und demonstriert auf dem Klagesmarkt. In einigen Betrieben wird für eine Stunde die Arbeit niedergelegt. Es ist eine der letzten großen Aktionen des Reichsbanners in Hannover.

 


 

Die Besetzung des Gewerkschaftshauses in Hannover am 1.4.1933

Nur wenige Tage nach diesem Ereignis in Hannover steht am 27.2.1933 in Berlin der Reichstag in Flammen. Als eine der Folgen gehen die Nazis noch massiver gegen ihre GegnerInnen vor. An der hannoverschen Goseriede befinden sich die Zentralen der Gewerkschaften und von anderen nahestehenden Organisationen, so auch vom Reichsbanner. Da es seit Mitte 1932 zu SA-Überfällen auf die Gebäude kommt, übernimmt das Reichsbanner mit seinen Organisationen rund um die Uhr die Überwachung der Eingänge der Gewerkschaftshäuser. Eintritt ist nur mit gültigem Mitgliedsausweis möglich. Als Anfang 1933 der damalige Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) Bock sich nicht ausweisen kann, verwehrt man ihm den Zutritt. Daraufhin fordert er Alfred Jahn als Verantwortlichem des Reichsbanners dazu auf, die Wachen abzuziehen. Dies lehnt Alfred Jahn ab. Als Kompromiss einigt man sich darauf, einen Zutritt ohne Ausweis nur durch eine dortige Gaststätte zu ermöglichen. Dies ist das Schlupfloch für zwei Nazis, um in den Innenhof zu gelangen. Der hannoversche Historiker Herbert Obenaus fasst die Vorgänge so zusammen: „Am 1.4.1933, dem Tag des Boykotts jüdischer Geschäfte, stürmten SS-Mitglieder der Standarte 12 die Gebäude unter dem Vorwand, aus einem Haus wäre geschossen worden. Gegen die schwer bewaffneten SS-Leute hatten die sechzig Reichsbannermänner keine Chance. Sie ergaben sich ohne Widerstand. Auf dem Hauptgebäude hissten die Nazis die Hakenkreuzfahne als Zeichen ihres Triumphes.“ [Herbert Obenaus: Die Märzwahlen 1933 in Hannover, in Historisches Museum: Hannover 1933, Hannover 1981, S. 60/61].

Das Reichsbanner wird aufgelöst. Am 2.5.1933 werden überall im Reich die Gewerkschaftshäuser besetzt. Der ADGB wird am 2.5.1933 aufgelöst.

 


 

Das Reichsbanner heute

 


 

Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold war 1924 gegründet und 1933 dann durch die Nationalsozialisten verboten worden.

1953 wird es als Verein wieder gegründet: „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold – Bund aktiver Demokraten e.V.“ Man stellt sich damit bewusst in die Tradition des alten Reichsbanners. Dazu wird ein Grundsatzprogramm mit einer „Republikanischen Erklärung“ erstellt. Sie beginnt so: „Wir, die Mitglieder des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, bekennen uns zu den nachfolgenden unverhandelbaren Grundsätzen eines parteiübergreifenden, republikanischen Konsenses einer Deutschen Republik mit ihrer freiheitlich-demokratischen Verfassungsordnung und zur Abwehr aller gegen diese Ordnung gerichteten Bestrebungen.“ [Grundsatzprogramm des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, Stand 2019]. Damit wird der Gedanke der Schutzorganisation der Republik wieder aufgenommen - allerdings ohne die militärischen Aspekte.

Auch in Hannover gibt es eine Gruppe des Reichsbanners.

Sowohl am Lister Turm als auch am Gewerkschaftshaus gibt es Gedenktafeln und an den Jahrestagen regelmäßig Veranstaltungen zur Erinnerung und Mahnung.



Jonny Peter:

Das Reichsbanner



Auszüge aus der Broschüre "Alfred Jahn und das Reichsbanner" von Jonny Peter, Silvia und Manfred Wolter sowie Susanne Böhmer, die in der Egon Kuhn Geschichtswerkstatt im Freizeitheim Linden e.V. erhältlich ist.

 


 

Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold in Hannover

 


 

Zur Geschichte

Die Geschichte des Reichsbanners beginnt 1922, als ein sozialdemokratischer Ortsverein in Magdeburg beschließt, eine Aufbauorganisation gegen Feinde der Weimarer Republik zu gründen. Diese tritt ein Jahr später erstmals als „Republikanische Notwehr“ öffentlich auf. Am 22.2.1924 wird in Magdeburg dann unter Vorsitz des sächsischen Oberpräsidenten Otto Hörsing, SPD, sowie sechs weiterer Sozialdemokraten, eines Mitglieds der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) sowie eines christlichen Gewerkschafters das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund der republikanischen Kriegsteilnehmer e.V.“ gegründet. Ziel ist der Schutz der Verfassung der Weimarer Republik. Bei gewaltsamen Angriffen auf die republikanische Verfassung will das Reichsbanner die republikanischen Behörden in der Abwehr unterstützen und die Gegner der Republik bekämpfen.

Man beginnt mit dem Aufbau zahlreicher Gaue, so auch in Hannover. [Vgl. Broschüre des Freizeitheim Lister Turm: Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold in Hannover 1924-1933, Hannover 1992]. Darunter folgen als Gliederungen die Kreisverbände, dann Ortsvereine und darunter die Kameradschaften. Die Angaben zur Zahl der Mitglieder in der Weimarer Republik schwanken zwischen einer und drei Millionen. 1931 beschließt das Reichsbanner als Gegenmaßnahme zur SA (Sturmabteilung) die Einrichtung einer militanten Elitegruppe: die Schutzformation, kurz die Schufo. In ihr sind je nach Angaben zwischen 160.000 und 250.000 - meistens jüngere - Mitglieder organisiert. Sie sind nur teilweise und nur leicht bewaffnet, d.h. sie verfügen höchstens über Kleinkaliberwaffen. Als Reaktion auf die Nazis, die zusammen mit Deutsch Nationaler Volkspartei (DNVP) und Stahlhelm die Harzburger Front gebildet haben, gründen am 16.12.1931 SPD, Reichsbanner, Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund und die Arbeitersportbewegung dann ebenfalls einen weiteren Zusammenschluss: die „Eiserne Front“. Ihr Symbol werden drei weiße Pfeile auf rotem Grund. Nach den Reichstagswahlen vom 5.3.1933, die der NSDAP 44% der Stimmen bringen, wird das Reichsbanner bald in den meisten Ländern im Deutschen Reich verboten.

 


 

Das Reichsbanner in Hannover

Alfred Jahn gehört zu den wichtigsten Akteuren der hannoverschen Arbeiterbewegung in der Weimarer Zeit. Im Nationalsozialismus muss der Geschäftsführer des 1933 verbotenen Reichsbanners und Mitglied einer sozialdemokratischen Widerstandsorganisation die meiste Zeit im Zuchthaus und in verschiedenen Konzentrationslagern verbringen.

Alfred Jahn beschreibt die Gründung der Reichsbanner-Ortsgruppe Hannover sehr euphorisch am 1.10.1930 in einer Beilage des „Volkswille“, der hannoverschen SPD-Zeitung. Er hält sie für ein mächtiges Gegengewicht zu den Nationalsozialisten. Das Reichsbanner ist in Hannover in 19 Kameradschaften (in einem anderen Text ist von 18 Kameradschaften die Rede) unterteilt. Zum Beispiel ist die Kameradschaft 8 in Ricklingen. 9 und 10 sind in Linden-Süd, 11, 12 und 13 in Linden-Nord, 14 in Limmer ansässig. Drei bis vier Kameradschaften bilden eine der fünf Abteilungen: So besteht die 3. Abteilung aus den Kameradschaften 8 - 11, die Abteilung 4 aus der 12. - 14. Kameradschaft.

Die Antifa-AG Lister Turm interviewt 1983 einige Zeitzeugen wie Karl Hilke und Wilhelm Jahn: „Jede Kameradschaft hatte ein Jungbanner, in dem die Reichsbanner-Mitglieder bis zum 30. Lebensjahr organisiert waren.“ Karl Hilke, 1928 Jungbannerführer in der Südstadt, beschreibt die Aktivitäten u.a. so: „In den ersten Jahren war neben Versammlungen, Aufmärschen, Vorträgen und politischer Schulung der Sport eine der Hauptbetätigungen. ... Neben dem Sport wurde auch exerziert.“ [Zitate aus Broschüre des Freizeitheim Lister Turm: Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold in Hannover 1924-1933, Hannover 1992.]

Karl Nahme (Jungbanner und Reichsbanner) berichtet: „Als die politischen Wirren zunahmen, übernahm die in Hannover etwa 200 Mitglieder starke Schufo den Schutz von Versammlungen und von Gewerkschaftshaus und Volksheim. Beim Versammlungsschutz wurden jeweils 20 bis 30 Schufo-Kameraden eingeteilt, die sich um die Stühle herumstellten. Oft kam es zu Störungen, wobei kein Unterschied zwischen Kommunisten und Faschisten gesehen wurde. Beide hatten das Ziel, die Demokratie zu stürzen. Durch die Gründung der Eisernen Front wurde erreicht, daß an den Aufmärschen auch Sportler und Gewerkschafter teilnahmen, …“

Wilhelm Jahn, der 1905 geborene Sohn von Alfred Jahn, berichtet, dass es bis 1929 politisch relativ ruhig war. „Die SA wurde zwar stärker, aber es fiel nichts Nennenswertes vor.“ Die Schufo ist dann aber Tag und Nacht unterwegs und bewacht etwa das Gewerkschaftshaus.

Am 30.1.1933 wird Adolf Hitler durch die Ernennung des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zum Reichskanzler. Zusammen mit Hilfe von rechtsnationalistischen Parteien kann Hitlers NSDAP die Regierung bilden.

Es kommt Anfang 1933 noch zu einigen großen Demonstrationen in Hannover. So finden am 3.2.1933 und auch am 19.2.1993 auf dem Klagesmarkt Veranstaltungen der Eisernen Front mit bis zu 45.000 Teilnehmenden statt. Der dortige Redner der Gewerkschaft und SPD, der Reichstagsabgeordnete Richard Partzsch, verweist darauf, dass solange Hitler auf dem Boden der Verfassung bleibe, sei das „eben eine verfassungsmäßige Rechtsregierung“. Deshalb müsse man alles tun, für „den Augenblick des Verfassungsbruchs gerüstet zu sein.“ Viele SPD- und Gewerkschaftsmitglieder sind politisch ratlos, was gegen die Nazis zu machen sei. [Zitate aus Broschüre des Freizeitheim Lister Turm: Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold in Hannover 1924-1933, Hannover 1992].

 


 

SA-Überfall auf das Reichsbanner am Lister Turm am 21.2.1933

 



Bericht im Volkswille über den Nazi-Überfall auf das Reichsbanner am Lister Turm, Volkswille vom 23.2.1933 (Stadtteilarchiv im Freizeitheim Linden)

 

Am 21.2.1933 stört die SA erst eine Wahlkampfveranstaltung der SPD in Bothfeld, dann ziehen die 100 Nazis weiter zum Lister Turm, wo ebenfalls eine Veranstaltung der SPD stattfindet. Sie ziehen sich versteckt in die Eilenriede zurück. Als dann die ca. 50 Schufo-Leute ankommen, um die Veranstaltung zu schützen, kommt es sofort zu einer von den Nazis angezettelten Schlägerei und auch „wüsten Schießerei“. Die Nationalsozialisten eröffnen mit dem Kommando „Freiheit“, also dem Gruß des Reichsbanners, das Feuer auf die Sozialdemokraten. Sie geben 150 Schüsse ab. Von den Reichsbanner- und Schufo-Leuten werden 19 getroffen. Wilhelm Heese stirbt an einem Brustschuss, Willi Großkopf an den Folgen eines Bauchschusses am 22.2.1933. Zu den zahlreichen Verletzten gehört auch der durch einen Prellschuss getroffene Alfred Jahn.

Zur Beerdigung von Heese und Großkopf am 25.2.1933 kann noch einmal die Arbeiterbewegung mobilisiert werden und demonstriert auf dem Klagesmarkt. In einigen Betrieben wird für eine Stunde die Arbeit niedergelegt. Es ist eine der letzten großen Aktionen des Reichsbanners in Hannover.

 


 

Die Besetzung des Gewerkschaftshauses in Hannover am 1.4.1933

Nur wenige Tage nach diesem Ereignis in Hannover steht am 27.2.1933 in Berlin der Reichstag in Flammen. Als eine der Folgen gehen die Nazis noch massiver gegen ihre GegnerInnen vor. An der hannoverschen Goseriede befinden sich die Zentralen der Gewerkschaften und von anderen nahestehenden Organisationen, so auch vom Reichsbanner. Da es seit Mitte 1932 zu SA-Überfällen auf die Gebäude kommt, übernimmt das Reichsbanner mit seinen Organisationen rund um die Uhr die Überwachung der Eingänge der Gewerkschaftshäuser. Eintritt ist nur mit gültigem Mitgliedsausweis möglich. Als Anfang 1933 der damalige Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) Bock sich nicht ausweisen kann, verwehrt man ihm den Zutritt. Daraufhin fordert er Alfred Jahn als Verantwortlichem des Reichsbanners dazu auf, die Wachen abzuziehen. Dies lehnt Alfred Jahn ab. Als Kompromiss einigt man sich darauf, einen Zutritt ohne Ausweis nur durch eine dortige Gaststätte zu ermöglichen. Dies ist das Schlupfloch für zwei Nazis, um in den Innenhof zu gelangen. Der hannoversche Historiker Herbert Obenaus fasst die Vorgänge so zusammen: „Am 1.4.1933, dem Tag des Boykotts jüdischer Geschäfte, stürmten SS-Mitglieder der Standarte 12 die Gebäude unter dem Vorwand, aus einem Haus wäre geschossen worden. Gegen die schwer bewaffneten SS-Leute hatten die sechzig Reichsbannermänner keine Chance. Sie ergaben sich ohne Widerstand. Auf dem Hauptgebäude hissten die Nazis die Hakenkreuzfahne als Zeichen ihres Triumphes.“ [Herbert Obenaus: Die Märzwahlen 1933 in Hannover, in Historisches Museum: Hannover 1933, Hannover 1981, S. 60/61].

Das Reichsbanner wird aufgelöst. Am 2.5.1933 werden überall im Reich die Gewerkschaftshäuser besetzt. Der ADGB wird am 2.5.1933 aufgelöst.

 


 

Das Reichsbanner heute

 


 

Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold war 1924 gegründet und 1933 dann durch die Nationalsozialisten verboten worden.

1953 wird es als Verein wieder gegründet: „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold – Bund aktiver Demokraten e.V.“ Man stellt sich damit bewusst in die Tradition des alten Reichsbanners. Dazu wird ein Grundsatzprogramm mit einer „Republikanischen Erklärung“ erstellt. Sie beginnt so: „Wir, die Mitglieder des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, bekennen uns zu den nachfolgenden unverhandelbaren Grundsätzen eines parteiübergreifenden, republikanischen Konsenses einer Deutschen Republik mit ihrer freiheitlich-demokratischen Verfassungsordnung und zur Abwehr aller gegen diese Ordnung gerichteten Bestrebungen.“ [Grundsatzprogramm des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, Stand 2019]. Damit wird der Gedanke der Schutzorganisation der Republik wieder aufgenommen - allerdings ohne die militärischen Aspekte.

Auch in Hannover gibt es eine Gruppe des Reichsbanners.

Sowohl am Lister Turm als auch am Gewerkschaftshaus gibt es Gedenktafeln und an den Jahrestagen regelmäßig Veranstaltungen zur Erinnerung und Mahnung.